Der Eckerwald gehörte als 'Wüste'-Werk 10 zum sogenannten Unternehmen 'Wüste'. Es stellte ein verzweifeltes Unterfangen des nationalsozialistischen Unrechtsregimes dar. In einer desolaten Kriegslage sollte aus dem am Rande der Schwäbischen Alb vorkommenden Ölschiefer Treibstoff und Öl für die deutsche Kriegsmaschinerie gewonnen werden. Als Produktionsstätten für dieses Unternehmen wurden im Juli 1944 zehn Ölschieferwerke von Nehren im Landkreis Tübingen bis zum Eckerwald bei Zepfenhan im Landkreis Rottweil geplant. Der geringe Ölgehalt des Schiefers und die unausgereiften technischen Verfahren verdammten das Projekt von Anfang an zum Scheitern.
Für das Vorhaben leisteten in großem Stil KZ-Häftlinge Zwangsarbeit. Skrupellos wurde deren Arbeitskraft ausgebeutet und ihr Leben eingesetzt. Ab Dezember 1943 entstanden vier kleinere KZ in Frommern, Erzingen, Schömberg und Dormettingen sowie drei größere Lager in Bisingen, Dautmergen/Schömberg sowie Schörzingen, allesamt Außenlager des in den nördlichen Vogesen bei Straßburg gelegenen KZ Natzweiler-Struthof. Insgesamt dürften über 12.500 KZ-Häftlinge in den Lagern interniert gewesen sein, die aus allen Ländern Europas kamen, die von Nazi-Deutschland besetzt waren. Die Häftlinge waren zum Teil unsäglich grausamen Lebens- und Arbeitsbedingungen ausgesetzt.
Das Unternehmen 'Wüste' ist in mehrfacher Hinsicht beispielhaft für den unter dem nationalsozialistischen Unrechtsregime herrschenden Wahnwitz und die Verblendung, aber auch für die Grausamkeit und Unmenschlichkeit des Systems.
Unzählige Häftlinge mussten ihr Leben für ein letztlich völlig sinnloses Unterfangen lassen, dessen eigentliche Zielsetzung, die Gewinnung von großen Mengen an Öl nie erreicht wurde. Die Gesamtzahl der Todesopfer kann nicht mehr exakt festgestellt werden. Etwa 3.400 Häftlingsleichen wurden ab Oktober 1944 vor Ort bei den drei größeren Lagern in Massengräbern verscharrt. Ungezählt sind Hunderte von Häftlingen, die unter anderem auf Verlegungstransporten oder bei der Räumung der KZ ab dem 18. April 1945 auf den Todesmärschen ums Leben kamen. Die tatsächliche Opferzahl könnte doppelt so hoch gewesen sein als die Anzahl der vor Ort aufgefundenen Toten.
Bei Kriegsende entdeckten die einmarschierten französischen Soldaten sehr bald die Massengräber. Die Leichen wurden unter Einbeziehung ehemaliger Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher exhumiert. In der Nähe der Massengräber wurden in den Jahren 1945 bis 1947 unter französischer Besatzungsverwaltung KZ-Friedhöfe als Gedenkstätten in Bisingen, Schömberg und Schörzingen angelegt. Die Anlage der Friedhöfe geschah unter christlichen Vorzeichen, erst mit der Zeit kam eine Ausstattung mit jüdischen Elementen hinzu.
Seit den 1990er-Jahren entwickelten sich die KZ-Friedhöfe von reinen Gedenkorten zu Orten, an denen auch historische Hintergrundinformationen geboten werden und wo damit vor Ort das Wissen über die dort bestatteten Toten vermittelt wird.
Text: Dr. Andreas Zekorn
Quellen der Fotos, Zeichnungen und Luftbilder:
Kreisarchiv Zollernalbkreis, Fotosammlung Unternehmen Wüste
Zeichnungen
Rudol Naess, Norwegen
Ludovic de La Chapelle (mit freundlicher Genehmigung von Marjolaine de La Chapelle)
Luftbilder
Historische Luftbilder der US Air Force/Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg (www.lgl-bw.de) Bz.: 5800354379 / Kreisarchiv Zollernalbkreis
Karte zum Unternehmen Wüste
Kreisarchiv Zollernalbkreis / Stadtarchiv Balingen (Neubearbeitung der Karte: Michael Walther und Andreas Zekorn)
Weitere Fotos:
Initiative Gedenkstätte Eckerwald e.V., Gunar Seitz & Ragnhild Becker